Brief an den Präsidenten des EGMR
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Gegen eine weitere Frist zugunsten der rumänischen Regierung
Als Antwort auf zwei Briefe, die Herr Santiago Quesada, Gerichtsschreiber des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), am 7. und 9. Mai 2012 an unseren Partnerverein APP schickte, sandten die rumänischen und französischen Vertretungen der enteigneten Immobilieneigentümer Rumäniens, sowie der ResRo e.V. am 24. Mai 2012 einen gemeinsam unterzeichneten Brief in französischer Sprache an den Präsidenten des EGMR, zu Händen des genannten Gerichtsschreibers, in dem sie folgende Positionen bezogen:
Sehr geehrter Herr Präsident,
wir haben die Briefe des Gerichtsschreibers vom 7. und 9. Mai 2012 erhalten, in denen Sie uns über den Antrag der rumänischen Regierung auf eine weitere 9-monatige Verlängerung der Umsetzungsfrist bezüglich des Piloturteils informierten, bzw. uns deren Antrag in Ihrem Brief vom 9. Mai 2012 weiterleiteten.
- Unsere Vereine sind der Ansicht, dass eine eventuelle Verlängerung der genannten Frist im Musterprozess Maria Atanasiu gegen Rumänien dem unwiderruflichen Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte widerspricht, das in Punkt 6 festhält, dass die vom Gerichtshof geforderten Maßnahmen binnen achtzehn Monaten ab dem In-Kraft-Treten des Urteils umgesetzt werden müssen.
Gemäß unserer juristischen Kenntnisse darf ein definitives, unwiderrufliches Urteil nicht zur Diskussion gestellt oder abgeändert werden. - Bereits die Frist von 18 Monaten war äußerst großzügig bemessen, zumal sie erst nach einer dreimonatigen Einspruchsfrist in Kraft trat. Die rumänische Regierung hatte also 21 Monate Zeit, dem Urteil des EGMR Genüge zu leisten. Zwar bildete die rumänische Regierung bereits am 3. Dezember 2010 einen „interministeriellen Ausschuss“ für den der rumänischen Justiz verordneten Reformprozess, doch hat sich dieser bis April 2012 als ziemlich untätig erwiesen. Zum Beispiel schickte dieser Ausschuss am 26. Januar 2011 ein Dokument mit dem Betreff „überarbeiteter Aktionsplan“ an den EGMR, der eine Liste der bisherigen Aktivitäten, Einschätzungen, Maßnahmen und Vorschläge aufführte, jedoch enthielt diese Liste weder konkrete Meilensteine noch Sanktionen für die Verfehlung einzelner Ziele.
Dies veranlasst uns zur Annahme, dass bis zum aktuellen Zeitpunkt nicht der geringste Fortschritt erzielt wurde und dass eine Terminverlängerung genauso wirkungslos bleiben würde, zumal die kommenden Monate, – infolge von Wahlen auf Lokal- und Regierungsebene –, durch eine unstabile innenpolitische Lage gekennzeichnet sein werden. Die politische Instabilität während der Wahlzeit, die ein Kennzeichen aller Staaten ist, würde die Entscheidungsfindung angesichts einer so einschneidenden sozio-ökonomischen Frage stark behindern. - Bereits im April d.J. hatte die rumänische Regierung, kurz vor ihrem Scheitern, einen für die enteigneten Eigentümer gänzlich inakzeptablen Gesetzesentwurf vorgelegt, der einer neuen Konfiskation gleichkommt und eine abermalige Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des EGMR darstellt (beispielsweise, was die Fälle Strain, Paduraru, Faimblatt, Viasu, Katz und nicht zuletzt Atanasiu u.a. geg. Rumänien betrifft). Wenn dieser Gesetzentwurf angewandt worden wäre, hätten sich die Opfer der kommunistischen Enteignungen Rumäniens in einer bei weitem misslicheren Lage wiedergefunden, als vor dem zu ihren Gunsten gefällten Urteil des EGMR gegen den rumänischen Staat!
Bei der anschließenden öffentlichen Diskussion des Gesetzentwurfs haben sich die Vereine der enteigneten Eigentümer entschieden gegen denselben ausgesprochen und seine Rücknahme gefordert.
Der Dialog zwischen den Vertretern der Regierung und denjenigen der Eigentümervereinigungen hat zu keinem Ergebnis geführt, kam doch der Gesetzentwurf einem Vorschlag zu neuerlicher Nationalisierung und Konfiskation gleich, da die Rechte, die den Betroffenen bereits durch die Gesetze 1/2000, 10/2001 und 247/2005 eingeräumt wurden, jetzt erneut eingeschränkt werden sollten.
Die wesentlichen Punkte dieses Gesetzentwurfs waren:
– Ausschluss der Rückgabe in natura (wir fragen uns, was der Grund dieser kategorischen Ausschließung ist, da doch ebendiese Art der Restitution den Staatshaushalt entlastet und die Ausgaben für die Wiedergutmachungen auf ein Minimum reduziert hätte –?).
– Die Annullierung der Möglichkeit, eine gleichwertige Immobilie für eine seitens des Staates konfiszierte zu erhalten (damit ist dieselbe Frage verbunden).
– Reduzierung der Entschädigungen auf nur 15% des Wertes einer Immobilie, zahlbar innert 10 bis 12 Jahren nach ihrer Genehmigung, welche ihrerseits bis zu fünf Jahren dauern kann, was eine Zeitspanne von 17 Jahren bedeuten würde (kann denn auf diese Weise eine Beschleunigung der Verwaltungsvorgänge erzielt werden?).
– Selbst die bisher bereits genehmigten Entschädigungen, die durch Gerichtshöfe oder durch die Entschädigungsbehörde ANRP genehmigt wurden, sollten nur rückwirkend annulliert werden.
– Darüber hinaus sah der Gesetzentwurf keinerlei Sanktionen für diejenigen Fälle vor, in denen die Auflagen nicht respektiert werden; – wobei eine der wichtigsten Gründe für die Auflage des EGMRs, verbindliche Fristen für die Restitution einzurichten, eben das Fehlen von strafrechtlichen Folgen bei Verfahrensverschleppungen war. - Gemäß Presseinformationen lagern etwa 2.500 Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Restitutionsverhinderung durch den rumänischen Staat und seine Behörden seit 18 Monaten beim EGMR und die Antragsteller warten auf ein Urteil. Nun ist man zu der absurden Situation gelangt, dass der EGMR den rumänischen Staat verurteilt hat, die Restitutionsabwicklung zu beschleunigen, wobei das Urteil Gegenteiliges bewirkt hat: Eine Verlängerung der Lösung für die beim EGMR anhängigen Verfahren um 3+18+9 = 27 Monate!
- Mehr als 70.000 Dossiers mit Restitutionsfällen liegen mittlerweile der „Zentralen Kommission“ vor. Das entspricht der Menge der Anträge, die bei den örtlichen Behörden eingereicht wurden und ihrerseits einer Lösung harren. Die Zentrale Kommission, welche die Entscheidungen über Entschädigungen trifft, bzw. die Überprüfung der Ansprüche durch Gutachter anordnet, erfüllt ihre Aufgaben seit etwa einem Jahr nicht mehr. Aus diesem Grunde wurden die Entschädigungen durch Wertpapieremissionen und Auszahlungen für sechs Monate gesperrt.
- Die rumänische Gesetzgebung schränkt die Möglichkeiten der enteigneten Eigentümer, ihre Rechte vor Gericht zu behaupten, zunehmend ein. Infolge des Berufungsrechtes (Gesetz 33/2008) des Obergeneralstaatsanwaltes sind bislang durch die Verfassung garantierte Klagen aufgrund des Bürgerrechtes („drept comun“) nicht mehr zulässig. Ebenso hat der Oberste Gerichtshof Rumäniens (ICCJ) am 14. Februar 2011 die Klagen wegen konfiszierten Immobilien gegen den rumänischen Staat, dessen Behörden ohne rechtliche Grundlage den Verkauf solcher gestohlener Immobilien betreiben und gemäß des Gesetzes 247/2005 für eine Entschädigung aufkommen müssten, für ungültig erklärt. Die widerrechtlich enteigneten Eigentümer und ihre Rechtsanwälte berichten einstimmig, dass Gerichtsurteile immer seltener zu ihren Gunsten gefällt werden, zumal die Richter einem immer größeren politischen Druck ausgesetzt werden.
- Die so genannte „polnische Lösung“, die von gewissen Politikern Rumäniens vorgeschlagen wird, wurde in Polen für einen gänzlich anders gelagerten Fall angewandt, der nicht vergleichbar ist mit der widerrechtlichen Immobilienbeschlagnahmung in Rumänien: Während die aktuelle Situation in Rumänien auf die kommunistischen Konfiskationen zurückzuführen ist, und es um die Belohnung der Anhänger des post-kommunistischen Regimes geht (wie z. B. aufgrund der Gesetze 90/1990 und 112/1995), handelt es sich beim Modell Broniowski in Polen um eine Lösung für die besondere Situation hinsichtlich der Gebiete jenseits des Flusses Bug, die nach dem Krieg an die Sowjetunion abgetreten wurden. Folglich ist die Situation in Polen und Rumänien nicht vergleichbar, und darf für eine Lösungen der Restitutionsfrage nicht herangezogen werden.
Sollte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verzögerung akzeptieren, würden Sie Sich in acht Monaten, unter Berücksichtigung der instabilen politischen Lage während der Wahlen, in der gleichen Situation befinden, wie heute. Also geben Sie bitte dem Antrag einer Verschiebung des Ultimatums an Rumänien um weitere neun Monate nicht statt, und bekräftigen Sie stattdessen die auch im Pilot-Urteil festgehaltenen Prinzipien: „Nichtsdestotrotz ist diese Frist, so großzügig sie auch bemessen sein mag, nicht unbegrenzt, selbst wenn es einer komplexen Reform des Staates bedarf, damit die Widersprüche zu den Werten der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht weiterbestehen.“ (§ 173)
Das aber war nicht im Entferntesten der Fall bei dem von der ehemaligen Regierung Ungureanu vorgestellten Gesetzenwurf.
Association pour la Propriété Privée APP
Président Av. Calin Ispravnic
Association Française pour la Défense du Droit de Propriété en Roumanie
Président Dinu Ionescu
Association des Propriétaires Dépossédés Abusivement par l’État APDAS
Vice-président Anca Zlătescu
Asociatia Persoanelor Deposedate Abuziv şi a Foştilor Deportaţi Refugiaţi din Romania APDAFD
Preşedinte Lucian Dorovschi
ResRo Interessenvertretung RESTITUTION in Rumänien e.V.
Munich, Vorsitzende Karin Decker-That