Legitimierter Diebstahl 2009

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– 19. Februar 2009 –
Neues Immobiliengesetz legitimiert kommunistischen Diebstahl in Rumänien

Heinz Götsch, Rechtsanwalt/Hermannstadt

 

Eigentümer, denen die nationalisierten Häuser in Rumänien – nach fristgerechtem Antrag bis 2002 – noch nicht rückerstattet wurden, werden lediglich eine Entschädigung zum Marktpreis erhalten. Ein entsprechendes Gesetz ist am 3. Februar 2009 in Kraft getreten, das das Immobilienrückgabegesetz Nr. 10/2001 novelliert und die Rechte der Eigentümer stark einschränkt. Gegen das Änderungsgesetz hatte der rumänische Staatspräsident Traian Bãsescu zwei Verfassungsklagen eingereicht, die vom Verfassungsgericht Rumäniens abgelehnt wurden.

Über den Inhalt und die Folgen der seit längerem geplanten Gesetzesänderung wurde in der Siebenbürgischen Zeitung am 22. Juli 2008 und 24. Oktober 2008 berichtet. Der Gesetzesentwurf wurde nun unverändert angenommen und beinhaltet im Wesentlichen Folgendes:

Art. 2, Abs. 2, des Gesetzes Nr. 10/2001 (Immobilienrückgabegesetz) regelte klar, dass bei Inbesitznahme durch ungültigen Titel die Eigenschaft als Eigentümer der geschädigten Personen aufrechterhalten bleibt. Die Feststellung dieses Sachverhalts oblag der Verwaltung oder Justiz. Das Änderungsgesetz vom 3. Februar 2009 hebt diese Vorschrift nun auf und legitimiert damit den kommunistischen Diebstahl.

Die von den Mietern gemäß Gesetz Nr. 112/ 1995 gekauften Wohnungen und die dazugehÖrigen verkauften Grundstücke werden nicht mehr in natura an die im Kommunismus konfiszierten Eigentümer zurückerstattet. Ihnen bleibt nur ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Marktwert, der wegen fehlender Mittel auch erst einigen wenigen erfüllt wurde.

Das Verbot des Verkaufs binnen einer Frist von zehn Jahren nach Erwerb dieser Immobilien durch die Mieter wurde aufgehoben. Ebenso das Verbot des Verkaufs während eines laufenden Restitutionsverfahrens.

Die Häuser oder Wohnungen, die sich noch im Besitz des rumänischen Staates befinden, sowie die unverkauften Grundstücke innerorts werden in der Regel, trotz langjähriger Schikanen der Behörden, entweder durch diese oder nach langwierigen Gerichtsverhandlungen erstattet.

Offen ist noch immer die Frage, ob diejenigen Eigentümer, die einen Antrag auf Eigentumsrückgabe nicht innerhalb der Frist bis zum 14. Februar 2002 gestellt haben, noch eine Chance vor den rumänischen Gerichten haben. Die Rückerstattungsklage (actiune în revendicare) ist gemäß Zivilgesetzbuch an keine Frist gebunden, die Zulässigkeit in Rumänien jedoch noch streitig (noch nicht begründetes Urteil der vereinigten Senate des Obersten Gerichtshofes vom 9. Juni 2008 – recurs în interesul legii). Gangbar, mit Aussicht auf Erfolg vor den nationalen Gerichten, wäre der Weg bei den wenigen noch nicht verkauften Immobilien. Dabei herrscht aber immer noch eine restriktive Rechtsprechung vor. Zu beachten ist auf jeden Fall auch das Prozess- und Kostenrisiko. Bei der Rückerstattungsklage der verkauften Immobilien hat man immer auch den Käufer zum Gegner, nicht bloß den rumänischen Staat. Der Käufer lässt sich oft vertreten und wird, bei der jetzigen Gesetzeslage, in allen Instanzen in Rumänien obsiegen und die Kosten gegen den Kläger vollstrecken. Nach der Erschöpfung aller Rechtswege in Rumänien bleibt dann der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es kommt jedoch nicht darauf an, was im Einzelfall als gerecht empfunden wird, sondern wie es die nationalen Gerichte entscheiden und ob der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Entscheidung als Menschenrechtsverletzung einstuft.

Ob die zu erwartende Begründung des Urteils vom 9. Juni 2008 mehr Klarheit bringen wird, ist offen. Die 115 Richter des Obersten Gerichtshofs können sich auch nach neun Monaten nicht auf eine Begründung einigen. Die Befähigung zur Gerechtigkeit fehlt in Rumänien und gerade deshalb hat die Europäische Kommission am 12. Februar 2009 die rumänische Regierung ultimativ aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen und Fortschritte auf dem Gebiet der Justiz zu erzielen. Nach unserer Ansicht steuert Rumänien einem Vertragsverletzungsverfahren entgegen, was zur Streichung von EU-Mitteln führen wird. Die von der Kommission gewährte Frist von vier Monaten wird sicher nicht ausreichen, um das auf dem Gebiet der Justiz Angemahnte zu bereinigen.

Der nationale Gesetzgeber steht heute zunehmend in Konkurrenz zu supranationalen Rechtsordnungen. Die Lösung der Eigentumsproblematik ist jedoch nicht Teil des EU-Vertrags. Die Europäische Kommission sollte jedoch auch die Restitutionsgesetze im Blick haben, da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wiederholt Verletzungen der Konvention verurteilt hat und die Sprache der Richter aus Straßburg immer deutlicher wird. Bei Mehrfachverletzungen oder Nichtvollstreckung der Urteile ist die Europäische Kommission gehalten einzugreifen. Neben den Mehrfachverletzungen der Konvention ist schon festgestellt worden, dass Rumänien die Urteile von Straßburg missachtet. Dies müsste auf Druck der Kommission zur Änderung von nationalen Gesetzen beitragen. Es hieß bisher in der rumänischen Presse: „Die Europäische Kommission bellt, aber sie beißt nicht”, sie sollte jedoch ihr Image als zahnloser Tiger bald verlieren.

Immer mehr Stimmen aus dem Inland fordern von der neuen Regierung, das umstrittene Gesetz rückgängig zu machen.

Altbundespräsident Roman Herzog sagte: „Verspätetes Recht ist oft genug Unrecht, aber es ist jedenfalls kein Recht mehr!“